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November 2016

Die Rückkehr des Zöllners

Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/42/US_Navy_061209-N-8148A-067_A_customs_border_clearance_agent_assigned_to_Navy_Customs_Battalion_Romeo_keeps_record_of_each_inspection.jpg

 

Wir dachten, Schlagbäume, Zollschranken und Handelskriege gehörten allmählich der Vergangenheit an. Und nun das: die einstigen Vorkämpfer für den Freihandel, Großbritannien und die USA machen die Schotten dicht. Erst stimmte die Mehrheit der Briten für einen Austritt aus dem gemeinsamen europäischen Markt und dann wählten die US-Amerikaner einen Trump, der China mit Strafzöllen belegen will und Freihandelsabkommen ablehnt. Europa muss sich neu positionieren.

Trump und andere Populisten haben die Rückkehr zum Protektionismus nicht erfunden. Sie reiten lediglich auf einer Welle, die von weltwirtschaftlichen Veränderungen ausgelöst worden ist und in der Bevölkerung zu einer verbreiteten Skepsis gegenüber der Globalisierung geführt hat.

Der Welthandel verliert an Dynamik

Erlebte der Welthandel in den 1990er Jahren noch einen enormen Boom, so wächst der Austausch von Gütern und Dienstleistungen seit Beginn der 2000er Jahre langsamer. Seit der internationalen Finanzkrise von 2008 hat die Dynamik nochmals nachgelassen. Eine der wesentlichen Gründe liegt in der veränderten internationalen Arbeitsteilung, was wiederum hauptsächlich auf die nachholende Industrialisierung Chinas, aber auch anderer Schwellenländer zurückzuführen ist. Kauften bis vor einigen Jahren internationale Konzerne billige Vorprodukte aus Entwicklungs- und Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien ein und ließen sie in einer globalen Wertschöpfungskette verarbeiten, so geht China nun dazu über, die heimische Fertigung über ganze Produktionsketten hinweg auszubauen. Der Anteil der von China importierten Vorprodukte an den eigenen Exporten ist seit Mitte der 1990-er Jahre bis jetzt von 60 % auf 35 % gefallen. Zugleich stellt China seine Wirtschaft auf eine stärker an Dienstleistungen und am Binnenmarkt orientierte Struktur um, wiederum mit der Folge, dass China weniger importiert als noch vor einigen Jahren.

Die internationale Arbeitsteilung verändert sich

Mit dieser Entwicklung der Schwellenländer, vor allem Chinas, geht ein Strukturwandel in Nordamerika und Europa einher: Traditionelle Industrien geraten unter Druck der billigeren Konkurrenz aus den Schwellenländern, Arbeitsplätze gehen verloren. Zusammen mit der sich weiter öffnenden Schere in der Einkommens- und Vermögensverteilung führt dies zu einem wachenden Unbehagen in der Bevölkerung vor allem in den strukturschwachen Regionen. So kommt es, dass Trump in US-Bundesstaaten wie Ohio und Michigan, Zentren des einstigen Industriegürtels besonders viele Wähler für sich gewinnen konnte. Und nicht umsonst hat Wallonien, wo einst blühende Industriereviere nun vor dem Aus stehen, das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada zu blockieren versucht. Die Globalisierungsverlierer fühlen sich doppelt bedroht: zu einem durch das im Ausland billiger hergestellte Warenangebot und zum anderen durch die Einwanderer, die ebenfalls eine Ware billiger anbieten: ihre Arbeitskraft. Durch beides sehen sie ihren Besitzstand gefährdet, und beides wird miteinander vermengt und bekommt ein Gesicht – das Gesicht des Fremden.

Freihandel oder Protektionismus?

Nun ist der Freihandel kein Naturgesetz. Er ist auch nicht von vornherein gut oder schlecht, sondern es kommt auf die Interessen an. Der wirtschaftlich Stärkere mit der größeren Wettbewerbsfähigkeit hat selbstverständlich immer ein Interesse daran, seine Produkte barrierefrei zu exportieren. Da die Anderen ohnehin weniger wettbewerbsfähig sind, braucht er nichts zu fürchten. Nach dem 2. Weltkrieg traten die USA als Vorreiter des Freihandels auf, internationale Institutionen, wie die Welthandelsorganisation WTO bzw. dessen Vorgängerorganisationen wurden geschaffen, deren Ziel die Förderung eines möglichst freien internationalen Handels ist. Allerdings war es nicht immer so: in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen hatten die USA ebenso wie die Länder Europas hohe Zollschranken aufgebaut.

Unter Bedingungen des seit einigen Jahren langsamer wachsenden internationalen Handels bei zeitgleich nachlassender Produktivität der Weltwirtschaft wird der Wettbewerb um Märkte, Investitionsstandorte und Technologien schärfer. Die Länder greifen wieder zurück auf den Handwerkskasten des Protektionismus. Seit 2009 beobachtet die WTO weltweit einen signifikanten Anstieg protektionistischer Maßnahmen.

Wird nun Trump tatsächlich neue Zollmauern vor allem gegenüber China hochziehen? Heute, eine Woche nach den US-Präsidentschaftswahlen können wir nur Vermutungen anstellen. Sicherlich wird Trump seine Wahlkampf-Versprechen nicht zu 100 % umsetzen (das tut kein Politiker), aber selbst wenn er 30 % davon wahr macht, hat dies gravierende Folgen für die Weltwirtschaft.

Was bedeutet das Ganze nun für Europa?

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Welthandelsentwicklung, der Zunahme protektionistischer Maßnahmen und dem Politikwechsel der USA ist die Erhaltung des europäischen Binnenmarktes wichtiger denn je. Deshalb ist es ratsam, in den Austrittsverhandlungen zwischen der EU und Großbritannien eine möglichst enge wirtschaftliche Verflechtung mit der Insel zu erhalten.

Es hat keinen Sinn, sich mit Macht gegen den Strukturwandel zu stellen, und international nicht mehr wettbewerbsfähige Industrien durch Zollschranken und Subventionen künstlich am Leben zu erhalten. Natürlich muss der Strukturwandel sozial verträglich erfolgen. Für die Verlierer der Globalisierung müssen neue Perspektiven eröffnet, und da wo es nötig ist, sozialpolitische Netze aufgespannt werden. Durch die Förderung von Hochtechnologie und Innovationen kann Europa seine Wettbewerbsposition stärken. Dies setzt höhere Investitionen in Bildung, Forschung und Technologie voraus, wobei durch eine intensivere Kooperation zwischen den Mitgliedsländern Synergieeffekte gehoben werden können. Des Weiteren können durch den Ausbau des Dienstleistungssektors, vor allem auch im sozialen Bereich neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ganz gewiss wird TTIP das Transatlantische Freihandelsabkommen unter einem Präsidenten Trump nicht zustande kommen. Darüber wie sich in den nächsten 4 Jahren die Handelsbeziehungen zwischen EU und den USA entwickeln werden, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Sollte Trump aber tatsächlich China mit hohen Zöllen belegen, das Freihandelsabkommen NAFTA mit Mexiko und Kanada eindampfen oder das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP mit 12 Pazifik-Anrainerstaaten (u.a. Japan, Kanada, Australien, Mexiko, Peru, Chile) zurückweisen, würden sich für Europa neue Wettbewerbschancen in diesen Märkten ergeben, die es nutzen sollte.

Die Voraussetzung ist allerdings, dass in Europa nicht weitere kleine Trumps, wie Marine Le Pen oder Gerd Wilders an die Macht kommen und die EU lahmlegen.

 

Frankfurt am Main, 15. November 2016

Nassir Djafari, Diplom-Volkswirt und Mitglied von YOUROPEAN

Der Inhalt des Beitrags liegt in der Verantwortung des Verfassers und gibt ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Einschätzungen von diesem wieder./span>/span>span>

November 9, 2016

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The people of the United States have elected Mr. Trump as their new President which has to be accepted and respected.

But this election makes it brutally clear that the battle against the enemies of an open society, as described by the philosopher Karl Popper in the forties of the last century, has not been won, but has to be fought again and again. This is not only a US topic. It is a European topic on the Continent and in the U.K. and we are starting to realize that the battle against the enemies, naive or cynical, of the open society has to be fought with much more democratic fervor.

While studying law at Columbia University, I lived at International House New York in the mid-1980s. The Cold War was alive and well, as a student from West Germany, the idea of living among likeminded individuals who respected discourse over suspicion and avenues for harmony over building barriers and division, was exciting. I met, shared ideas and collaborated with people representing a broad range of ethnic, racial, political and socio-economic backgrounds and viewpoints. I am proud to have maintained strong friendships with many of these people, now scattered around the globe, through the years.

So when the results of the 2016 Presidential Election were finally confirmed, I, like many of my friends and colleagues, were confused, angered, and somewhat in disbelief. But we also share the same forward looking vision to channel our feelings toward change.

As friends of the open society, we urgently need to get out of our comfort zone. We need to speak up, rebuild our societies where we have failed to live up to our values and promises, and get involved in the democratic process at and between elections. This is also why we founded YOUROPEAN, a pro-European NGO, in December 2013 on Lampedusa in the Mediterranean.

We should also not be arrogant and should not accept the idea that open societies are reserved to „the West“ and not suitable, as some would like to tell us, to countries like Russia or the Ukraine, to name just two examples from Europe.

A good friend of mine and new board member of YOUROPEAN, Nassir Djafari, who fled from Iran to Germany in the fifties as a young boy together with his parents, pointed out to me this morning that the dividing line between friends and foes of open societies does not run between East and West, like the Iron Curtain during the Cold War, or between North and South. It runs right through the societies of more than hundred countries which were represented at International House New York through its resident community when I lived there in 1984/85. Today, this fine institution, founded in 1924 which for me represents America at its best, hosts and educates graduate students from 106 countries around the world including the United States.

In this overall context, I was so happy to have seen the outcome of a pre-election poll at International House, in which current residents embraced this philosophy. They expressed a desire to see more being done to preserve a future of a truly global society based in respect and equality where benefits could be gained by more, not just an elite few.

Now, more than ever, is not the time to sulk in retreat. Instead, I believe we need to re-think meaningful ways to express and implement solidarity not only within our own countries or regions. How can we effectively support friends of democracy and open society in Turkey, for example, which unfortunately has taken a course towards dictatorship, with legalistic methods so familiar to those of us who know about German history in the first half of the last century?

While I am not happy about Tuesday’s election result, my International House experience and the feed back we get at YOUROPEAN greatly strengthens my conviction that the battles for open societies can be won, and will be won more often than lost.

Frankfurt am Main, 11. November 2016

Dr. Klaus Mössle, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main und Mitbegründer von YOUROPEAN

Der Inhalt des Beitrags liegt in der Verantwortung des Verfassers und gibt ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Einschätzungen von diesem wieder.