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28. März 2017

Wie fühlt es sich an Europäer zu sein?

Am Sonntag stand unser Mitglied Stephan Rey in Frankfurt vor ca. 3500 Demonstranten von „Pulse of Europe“, die sich für ein gemeinsames Europa aussprechen. Die Bewegung von „Pulse of Europe“ gibt es inzwischen in mehreren Städten und findet jeden Sonntag statt.
Auch wir und unsere Mitglieder unterstützen diese tolle Initiative gern.

PoE

„Danke, Herr Haus, für Ihre Einladung.

Ich möchte mich gern vorstellen: Mein Name ist Stephan Rey.

Mein Vater war Franzose, meine Mutter ist Holländerin, ich bin in Portugal aufgewachsen, meine Frau ist Frankfurterin. Wir beide sind auch seit 2 Jahren bei YOUROPEAN für Europa engagiert. Und ich bin seit 30 Jahren Wahlfrankfurter!

Vor circa 10 Jahren besuchte ich einen Workshop in Wien zum Thema „Fairness in der Gesellschaft“. Der Referent, Mitte 60, war Schwarzamerikaner; eine seiner Fragen war: „Wie fühlt es sich an, weiß zu sein?“  Das hat mich umgehauen. Ich, Mitte 40, hatte mir nie darüber Gedanken gemacht, ob meine Hautfarbe von Vor- oder Nachteil sei.

Dieser Mann hatte die Rassentrennung und Rassenunruhen erlebt – eigentlich überlebt.

Erst Dank dieser Frage wurde mir klar, wie privilegiert ich bin.

Ihnen möchte ich auch gern zwei Fragen stellen und bitten, auf Ihre Gedanken zu hören.

Wie fühlt es sich an, Europäer zu sein?

Wie fühlt es sich an, seit über 70 Jahren in Frieden zu leben?

Diese Fragen zu beantworten fällt schwer, so lange kein Verlust eintritt.

Wie fühlt es sich an, täglich die Nutzung der rechten und linken Hand zu haben? Fragen Sie diejenigen, die sich schon einmal die Hand oder den Arm gebrochen haben.

Als Europäer bin ich privilegiert, weil ich in dem weltweit größten Wirtschaftsraum arbeite und dessen Kulturvielfalt schätze.

Die Kehrseite ist, dass es mich immer wieder zum Außenseiter macht: Für manche ist es schon suspekt, wenn ich mich bei der Fußball-Europameisterschaft freue, wenn Frankreich punktet. Oder Deutschland. Oder Portugal. Oder Holland!

Privilegiert zu sein bringt meiner Meinung nach eine Verpflichtung und eine Verantwortung mit sich:

Die Verpflichtung, sich dieses Privilegs bewusst zu sein.

Die Verantwortung als Bürger und Familienmensch über den Sinn Europas heute und in der Zukunft gemeinsam nachzudenken, um Europa greifbarer zu machen.

Genau das hat Pulse of Europe bei mir bereits bewirkt: heute ist dies die 2. Demonstration in meinem Leben! Die 1. war ebenso mit Pulse of Europe. Auf dieser Bühne für Europa gemeinsam mit begeisterten Europäern und Frankfurtern zu sein, ist ein wichtiger Schritt für mich, weil wir dadurch zu der Sichtbarkeit und Sinnfindung Europas beitragen.

Würde der Frankfurter Dichter Friedrich Stoltze noch leben, dann würde er sicherlich sagen:

Es is kaa Ort uff der weite Welt,  der so merr wie mei Europa gefällt, un es will merr net in mein Kopp enei,  wie kann nor e Mensch net von Europa sei!

Danke, Pulse of Europe

Merci Francfort!“

Stephan Rey, Mitglied von YOUROPEAN

Frankfurt am Main, den 28.03.2017