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1. Juli 2016

Ein Bubenstück in drei Akten

Chris Lawton_lizensfrei nutzbar

Einige Gedanken zur Profanität beim Brexit. Ein Drama der Unfähigen in diversen Akten

Exposition: Der Brexit kommt. Das ist katastrophal für Großbritannien, schlecht für Europa, gut für die radikalen politischen Kräfte, egal ob rechts oder links. Und warum das Ganze? Da stehen ein tumber, eitler Tor, David Cameron, featured durch ein paar windige Gesellen in der EU und einen profillosen Labor-Chef, Jeremy Corbyn. Da ist ein vollkommen skrupelloser Boris Johnson, unterstützt durch rechte Kräfte wie Nigel Farage.

Erster Akt: Großbritannien will sich mal wieder Sonderprivilegien in der EU heraushandeln. Weil dem Premier, Davis Cameron die kalte Schulter gezeigt wurde, er obendrein Schwierigkeiten in der eigenen Partei mit seiner EU-Politik hatte, kam er auf die Idee einer Volksabstimmung über den Verbleib seines Landes in der EU. Es passierte nichts, weil das Referendum weit weg lag. Doch die Zeit verging und die Abstimmung rückte näher.

Europa ließ sich erpressen, Cameron fing an, sich für die EU halbherzig zu positionieren. Das machte seinem politischen Gegner innerhalb der eigenen Partei, Boris Johnson, klar, dass er sich nun opportunistisch am anderen Ende, sprich für den Brexit, engagieren sollte. Das Kalkül: Wenn das Referendum scheitert, muss Cameron zurücktreten und Johnson wird neuer Premierminister.

Im zweiten Akt machen Johnson und Gesellen Druck: Sie lügen und betrügen das Volk, heizen es mit rechtsradikalen populistischen Lügen auf, erzeugen eine Stimmung, in der schließlich ein Wahnsinniger die Labor-Abgeordnete Jo Cox, die gegen den Brexit war, umbringt. Der erhoffte Lohn ist das Amt des Premiers. Die Labor-Partei nimmt keine Stellung. Das könnte ja eventuell Stimmen kosten. Es passiert, was passieren muss: Die Mehrheit der Briten stimmt für den Brexit:

Nun sind wir mitten im dritten Akt.

Die Bevölkerung bekommt von den Siegern zu hören, dass alles nicht so gemeint war und Wahlversprechen nicht unbedingt eingehalten werden können. David Cameron tritt zurück. Boris Johnson lernt gerade, dass der Verrat geliebt – der Verräter jedoch gehasst wird. Jeremy Corbyn, der Labor-Chef lernt, dass seine opportunistische Haltung mit der Abwahl bestraft wird. Großbritannien lernt, dass der Austritt aus der EU sehr teuer wird: Wirtschaftlich und politisch: Keiner will mehr so richtig im Staatengebilde bleiben. Und die Schotten schon gar nicht.

Wer leidet nun wirklich? Das sind die Menschen in allen Teilen Großbritanniens. Ihrem Staatsgebilde droht die Auflösung oder wenigstens die vollkommene politische Bedeutungslosigkeit: Wer will schon mit diesem wirtschaftlichen Zwerg noch viel zu tun haben? „Britannia rules the world“ ist seit rund 100 Jahren nur noch frommes Wunschdenken der rechten Kräfte. Das Commonwealth hat längst seine Bande verloren. Über den strahlenden Finanzplatz London legt sich ein Grauschleier: Frankfurt und Paris nutzen in ungeheurer Geschwindigkeit bereits ihre Chance, den letzten noch funktionierenden Wirtschaftssektor, den Finanzsektor in ihre Gefilde zu locken. Offensichtlich erfolgreich.

Und die Populisten Europas von Polen bis Spanien, von Finnland bis Griechenland fordern nun beherzt das gleiche Chaos für ganz Europa.

Großbritannien ist in seiner 1000-järigen Geschichte nie so gebeutelt worden, wie durch dieses Bubenstück von Dummheit und Frechheit. Europa sollte die Tür bis zur Austrittsverhandlung offenlassen. Denn Großbritannien ist in der EU ein wichtiger, geachteter Partner, der für Europa sehr wichtige, positive Impulse setzen kann.

 

Frankfurt am Main, 07. Juli 2016

Bodo Bimboese, Kommunikationsberater und Mitbegründer von YOUROPEAN

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