Neueste US-Sanktionierungen treffen nicht Russland, sondern die EU

– Ein Schelm, der Böses darüber denkt –

Die mit großer Mehrheit vom US-Senat beschlossenen Sanktionen wegen der Besetzung der Krim und der Einmischung in den US-Wahlkampf gegen Russland, haben vor allem das Ziel „America great again“ zu machen. Das umweltpolitisch verantwortungslose, wirtschaftlich schwachsinnige Fracking der USA soll durch diese Maßnahme gefördert und somit rentabel gemacht werden. Ein sehr durchsichtiges Manöver.

Europa hat sich seit den 50er und 60er Jahren vorsichtig den Öl- und Gaslieferungen und den daraus resultierenden gewaltigen Infrastrukturen aus Russland angenähert. Das war im kalten Krieg ein wichtiger Baustein der europäisch-russischen Beziehungen, die vor allem von Wolf von Amerongen zum Laufen gebracht wurden. Selbst in den schwärzesten Stunden der Konflikte zwischen den Blöcken funktionierte diese Brücke. Verlässlich. Deutschland und die EU haben nun einen wichtigen Teil ihres fossilen Rohstoffkonsums darauf abgestellt. Und politisch hat sich die Achse ebenfalls bis heute bewährt.

Was die USA nun mit diesem Boykott von Europa fordert, ist eine stabile wirtschaftliche und politische Säule zu opfern, für eine extrem stark umweltpolitisch belastende, ausschließlich pro-US-amerikanische Politik ausgerichtete Chimäre. Denn de facto sind alle europäischen Firmen betroffen, die an der Modernisierung des russischen Öl- und Gasmarktes beteiligt sind; unter anderem das Pipeline-Projekt North Stream 2. Das darf Europa nicht zulassen. Wenn die USA einen Handelskrieg inszenieren wollen, hat Europa in jeglicher Hinsicht die besseren Karten. Da kann Europa gelassen zuschauen, wie sich die isolationistische Politik der USA selbst ein Bein stellt. Die Politik, die Wirtschaft und die Umwelt werden es danken.

Frankfurt am Main, 27. Juli 2017

Bodo Bimboese, Kommunikationsberater und Mitbegründer von YOUROPEAN e.V.

Der Inhalt des Beitrags liegt in der Verantwortung des Verfassers und gibt ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Einschätzungen von diesem wieder.

 

Soziale Errungenschaften in Europa nachhaltig sichern

N e.Kostentransparenz durch „Doppik“ – Hessen als Vorbild für den Bund und für Europa!*

  • Nicht nur die Spitze des Eisbergs zeigen: kaufmännische Buchführung („Doppik“) macht die Kosten des Sozialstaats transparent – das Beispiel Hessens sollte in Deutschland und Europa Schule machen.
  • Die Kosten langfristiger politischer Versprechen wie z.B. der Mütterrente werden sofort sichtbar – Im Interesse einer nachhaltig soliden Finanzpolitik setzten die EU-Staaten die Doppik daher nach der Finanzkrise auf ihre Agenda.
  • Trotz entsprechender EU-Initiativen ist fast 10 Jahre später der politische Wille in den Mitgliedstaaten gering, die Doppik im Interesse der Transparenz und Generationengerechtigkeit einzuführen.
  • Der Bund sollte in Europa mit gutem Beispiel vorangehen und das tun, was für europäische Unternehmen seit 30 Jahren alternativlos ist, nämlich die finanziellen Folgen politischen Handelns transparent machen – die Bürger sollten dies bei der Bundestagswahl 2017 im Interesse der Nachhaltigkeit sozialer Errungenschaften in Deutschland und Europa konkret fordern!

Für YOUROPEAN und andere überzeugte Europäer ist das Glas in Europa halb voll. Diese positive Grundhaltung zu unserem europäischen Projekt kann aber nur dann überzeugen, wenn wir die Themen beim Namen nennen und transparent machen. Ganz besonders gilt dies für ein Kernthema Europas: die Sicherung sozialer Errungenschaften auch für zukünftige Generationen.

Was der Sozialstaat uns Bürgern verspricht, muss nicht nur heute und bis zur nächsten Wahl, sondern auch in 10, 30 und 50 Jahren finanzierbar sein. Wer heute im Alter von 30 in ein Rentensystem einzahlt, erwartet angemessene Rentenzahlungen auch noch im Alter von 80 Jahren und darüber hinaus.

Unternehmen müssen aus diesem Grund in Europa seit gut 30 Jahren die Kosten von  Pensionszusagen der Firmen an ihre Mitarbeiter in der Bilanz zeigen. Während solche Pensionsrückstellungen für die Privatwirtschaft seit den achziger Jahren alternativlos sind, messen die europäischen Regierungen weiterhin ganz überwiegend mit zweierlei Maß.

Als Staatsschulden werden nur die am Kapitalmarkt aufgenommenen Anleihen bilanziert. Fest zugesagte Pensionsansprüche der Bürger erhöhen die (ausgewiesenen) Staatsschulden kurioserweise nicht. Dies ist nicht etwa nur in Griechenland so, sondern auch unter dem mutmaßlich so kaufmännisch strengen Regime des deutschen Finanzministers. Als Privatunternehmer würde Herr Schäuble nicht nur gut 70% des deutschen Bruttoinlandsprodukts als Schulden ausweisen, sondern wohl rund 200%!

Eine der löblichen Ausnahmen in Deutschland und Europa ist das Bundesland Hessen: seit 2009 erfolgt die Rechnungslegung in Hessen entsprechend den kaufmännischen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Mit aufrüttelnden Ergebnissen, was die abgezinsten Kosten des hessischen Sozialstaates angeht, wie das nachfolgende Schaubild zeigt (Quelle: Hessischen Ministerium der Finanzen):

 

Ministerium Finanzen

Die herkömmliche kameralistische Buchführung zeigt nur die Spitze des Eisbergs: die Kreditverbindlichkeiten des Landes Hessens betrugen Ende 2015 rund 44 Milliarden Euro (auch „explizite Verbindlichkeiten“) oder 17 Prozent des hessischen Bruttosozialprodukts. Die eigentliche Schuldenlast des Landes Hessens ist aber viel höher. Ende 2015 betrug sie rund 144 Milliarden Euro oder 55 Prozent des hessischen Bruttosozialprodukts: Exakt 100 Milliarden Euro mehr an Verpflichtungen für Pensionen und Beihilfen (auch „implizite Verbindlichkeiten“), welche uns die Kameralistik verschweigt!

Würde man diese Systematik auf den Bund übertragen, hätte Finanzminister Schäuble Mitte der Dekade keine „schwarze Null“ feiern können. Die bei kaufmännischer Buchführung sofort zu bilanzierenden Kosten der Wahlgeschenke der Großen Koalition im Jahr 2014 – „Mütterrente“ und „Rente mit 63“ – hätten die „schwarze Null“ verhindert.

Das hessische Beispiel sollte in Deutschland und Europa Schule machen. Die deutsche Bundesregierung, die besonders auf fiskalische Solidität und Transparenz in den EU-Staaten pocht, sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Sie sollte damit die nach der Finanzkrise gestarteten Initiativen der EU-Kommission zur Einführung eines neuen EU-Rechnungslegungsstandard für die öffentliche Hand auf doppischer Basis („EPSAS“) politisch unterstützen (im einzelnen hierzu Weyland/Nowak, EPSAS Update: EPSAS als Chance …, Der Konzern, 12/2016, Seite 558).

Überraschungen werden nicht ausbleiben. So wies die Stiftung Marktwirtschaft unlängst nach, daß der Sozialstaat in Italien und Portugal nachhaltiger finanziert ist als z.B. in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, und daß Luxemburg in Sachen finanzieller Nachhaltigkeit sogar die rote Laterne hat ! (Peters, Raffelhüschen, Reeker, in: Ehrbare Staaten Update 2016, Die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Europa, Stiftung Marktwirtschaft, Hrsg.).

Die doppische Buchführung zumindest der Schulden könnte dazu beitragen, daß der Finanzierungsbedarf der Sozialsysteme frühzeitig offengelegt und erkannt wird und die Kosten sozialer Errungenschaften transparent werden. Nur so können im demokratischen Prozeß die sozial- und steuerpolitischen Weichen richtig gestellt werden.

Die sozialpolitische Bedeutung und Brisanz des Themas kommentierte Angela Merkel schon im Jahr 2012 ganz unmißverständlich: Die Financial Times vom 16.12.2012 zitierte die deutsche Bundeskanzlerin wie folgt (Übersetzung des Verfassers):

„Wenn Europa heute mit gut 7 Prozent der Weltbevölkerung rund 25 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts erwirtschaftet und 50 Prozent der weltweiten Sozialausgaben finanzieren muss, dann ist es offensichtlich, dass Europa sehr hart arbeiten muss, um seinen Wohlstand und seine Lebensqualität zu erhalten.“

Für die Sicherung der sozialen Errungenschaften in Europa wäre die europaweit zügige Einführung der doppischen Buchführung, auf die sich die EU-Mitgliedstaaten nach der Finanzkrise 2008/2009 verständigten, ein wichtiger Schritt nach vorne. Das Beispiel Hessens sollte Schule machen – nicht zuletzt als konkrete Forderung der Bürger bei der Bundestagswahl im Herbst 2017!

 

*Der Beitrag faßt die Ergebnisse des YOUROPEAN Salons vom 30.3.2017 in Frankfurt am Main zusammen, mit Referaten der Staatsministerin im Hessischen Ministerium der Finanzen Frau Dr. Bernadette Weyland und des Verfassers.

 

Juli 2017, z.Zt. Auckland, Neuseeland

Dr. Klaus Mössle, Rechtsanwalt und Mitbegründer von YOUROPEAN e.V.

Der Inhalt des Beitrags liegt in der Verantwortung des Verfassers und gibt ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Einschätzungen von diesem wieder.

 

 

Emmanuel Macron – Erwartungen an und von Europa

Der vierte Salon von Youropean befasst sich mit den neuen politischen Verhältnissen in unserem Nachbarland Frankreich. Insbesondere vor dem Hintergrund des Brexit-Entscheids im Vereinigten Königreich im vergangenen Jahr, ist die Partnerschaft Frankreichs mit Deutschland umso wichtiger geworden. Gemeinsame deutsch-französische Initiativen sollen die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union keineswegs außen vor lassen, sondern im Gegenteil den Weg für eine schrittweise stärkere Integration der Gemeinschaft bereiten. Denn, wenn zwei möglichst ähnlich starke Partner entschlossen vorangehen, werden andere EU-Länder dem Beispiel folgen und zu einer nachhaltigen Zukunft der EU und auch der Währungsunion beitragen.

Diesem Partner Frankreich hat es in den letzten Jahren an Kraft gefehlt, an Kraft in vielerlei Hinsicht. Dies lag nicht allein an Wirtschaftsdaten, sondern vor allem an einem fehlenden Vertrauen in Frankreich innerhalb der eigenen Bevölkerung und damit einhergehend an fehlendem Mut für Veränderungen, im eigenen Land und in Europa. Es galt also, mit einem neuen Präsidenten
und einer neuen Regierung wieder die Zuversicht zu erlangen, gemeinsam in der Europäischen Union die Herausforderungen einer von Terror geplagten, globalisierten Welt anzugehen. Und ja – es galt auch den Globalisierungs- und Europa-feindlichen Populismus des Front National und seiner Kandidatin Marine Le Pen abzuwenden und auf möglichst weiten Abstand zurückzudrängen.

Die Zeichen stehen gut. Emmanuel Macron, der neue französische Präsident, hat die parteipolitische Landschaft in Frankreich in vielerlei Beziehung auf den Kopf gestellt. Über alle Aspekte hier zu schreiben, würde zu weit führen. Wichtig ist auch mit Blick auf die aktuelle politische Debatte in Deutschland, dass er sich als einziger Kandidat in Zeiten zunehmender Europa-Skepsis traute, nicht nur zu Europa, der EU und der Währungsunion zu stehen, sondern sein Bekenntnis zur EU zu einem Pfeiler seiner Kampagne zu machen – so eindrucksvoll verkörpert durch die stete Präsenz europäischer Flaggen und den Einzug des frisch gewählten Präsidenten zu seiner ersten
Rede auf dem Platz des Louvre zur europäischen Hymne.

Seither hat Emmanuel Macron mit seiner aus der Bewegung ‚En Marche‘ entwickelten neuen Partei ‚La République en Marche !‘ (LREM) erstaunlich Vieles richtig gemacht. Es ist kaum zu glauben, aber es ist ihm und der LREM gelungen, am 11. Mai 2017 für die anstehenden Parlamentswahlen quasi aus dem Nichts 428 Kandidaten zu produzieren, die tatsächlich folgende Kerndaten belegen:

214 Frauen und 214 Männer
95 % Kandidaten, die nicht unmittelbar zuvor im Parlament waren, dh 24
Kandidaten, die dem aktuellen Parlament angehören
93 % Kandidaten, die Berufen und anderen Tätigkeiten nachgehen
77 % Kandidaten, die aktuell kein politisches Mandat halten
52 % Kandidaten, die noch nie in ein Mandat gewählt worden sind
4 % Pensionäre, 2 % Arbeitssuchende und 1 % Studenten
Bei einem Altersdurchschnitt von 46 Jahren und einer Alterspanne von 24 bis
72 Jahren.

Die Hoffnung ist, dass sich die LREM in den Parlamentswahlen mit ausreichend Mehrheit durchsetzt, um die Politik von Emmanuel Macron auch umsetzen zu können.

Für Europa und für uns bei Youropean ist auch wichtig, dass es Emmanuel Macrons Ziel ist, Frankreich wieder Selbstvertrauen zu vermitteln, die Franzosen wieder stolz auf ihr Land sein zu lassen. Er scheint auch hierbei auf bestem Weg.

Deutschland kann und muss Frankreich bei diesem Ruck in eine hoffnungsfrohe Zukunft für Frankreich und Europa unterstützend begleiten, denn nur so kann Europa wieder zu neuer Stärke finden. Macron hat die notwendige Reform Europas in das Zentrum seiner Politik gestellt, er hat eine
Regierungsmannschaft bestellt, die sehr pro-europäisch und Europa-erfahren ist – und auch sehr germanophil, er möchte Europa ein starkes Frankreich präsentieren, das ein verlässlicher Partner für die Anpassungsprozesse innerhalb des europäischen Hauses und an der Europäischen Union und der Währungsunion sein kann. Er möchte auch Europa das in den letzten Jahren verloren gegangene Vertrauen zurückgeben. Hieran haben wir auch in Deutschland ein großes Interesse.

In unserem Youropean Salon am heutigen Mittwoch, den 7. Juni 2017, mit Vortrag von Philippe Maso y Guell Rivet, soll es darum gehen, was sich Emmanuel Macron von Europa verspricht, welche Erwartungen er an Europa und damit auch Deutschland stellt, was er realistischerweise wird umsetzen können – und wie wir uns dazu stellen wollen, welche Erwartungen wir unsererseits an ihn stellen.

 

 

Im Juni 2017

Daniela Weber-Rey für YOUROPEAN e.V.

Der Inhalt des Beitrags liegt in der Verantwortung des Verfassers und gibt ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Einschätzungen von diesem wieder.

Emmanuel Macron – Erwartungen an und von Europa

Der vierte Salon von Youropean befasst sich mit den neuen politischen Verhältnissen in unserem Nachbarland Frankreich. Insbesondere vor dem Hintergrund des Brexit-Entscheids im Vereinigten Königreich im vergangenen Jahr, ist die Partnerschaft Frankreichs mit Deutschland umso wichtiger geworden. Gemeinsame deutsch-französische Initiativen sollen die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union keineswegs außen vor lassen, sondern im Gegenteil den Weg für eine schrittweise stärkere Integration der Gemeinschaft bereiten. Denn, wenn zwei möglichst ähnlich starke Partner entschlossen vorangehen, werden andere EU-Länder dem Beispiel folgen und zu einer nachhaltigen Zukunft der EU und auch der Währungsunion beitragen.

Diesem Partner Frankreich hat es in den letzten Jahren an Kraft gefehlt, an Kraft in vielerlei Hinsicht. Dies lag nicht allein an Wirtschaftsdaten, sondern vor allem an einem fehlenden Vertrauen in Frankreich innerhalb der eigenen Bevölkerung und damit einhergehend an fehlendem Mut für Veränderungen, im eigenen Land und in Europa. Es galt also, mit einem neuen Präsidenten und einer neuen Regierung wieder die Zuversicht zu erlangen, gemeinsam in der Europäischen Union die Herausforderungen einer von Terror geplagten, globalisierten Welt anzugehen. Und ja – es galt auch den Globalisierungs- und Europa-feindlichen Populismus des Front National und seiner Kandidatin Marine Le Pen abzuwenden und auf möglichst weiten Abstand zurückzudrängen.

Die Zeichen stehen gut. Emmanuel Macron, der neue französische Präsident, hat die parteipolitische Landschaft in Frankreich in vielerlei Beziehung auf den Kopf gestellt. Über alle Aspekte hier zu schreiben, würde zu weit führen. Wichtig ist auch mit Blick auf die aktuelle politische Debatte in Deutschland, dass er sich als einziger Kandidat in Zeiten zunehmender Europa-Skepsis traute, nicht nur zu Europa, der EU und der Währungsunion zu stehen, sondern sein Bekenntnis zur EU zu einem Pfeiler seiner Kampagne zu machen – so eindrucksvoll verkörpert durch die stete Präsenz europäischer Flaggen und den Einzug des frisch gewählten Präsidenten zu seiner ersten

Rede auf dem Platz des Louvre zur europäischen Hymne.

Seither hat Emmanuel Macron mit seiner aus der Bewegung ‚En Marche‘ entwickelten neuen Partei ‚La République en Marche !‘ (LREM) erstaunlich Vieles richtig gemacht. Es ist kaum zu glauben, aber es ist ihm und der LREM gelungen, am 11. Mai 2017 für die anstehenden Parlamentswahlen quasi aus dem Nichts 428 Kandidaten zu produzieren, die tatsächlich folgende Kerndaten belegen:

214 Frauen und 214 Männer

95 % Kandidaten, die nicht unmittelbar zuvor im Parlament waren, dh 24

Kandidaten, die dem aktuellen Parlament angehören

93 % Kandidaten, die Berufen und anderen Tätigkeiten nachgehen

77 % Kandidaten, die aktuell kein politisches Mandat halten

52 % Kandidaten, die noch nie in ein Mandat gewählt worden sind

4 % Pensionäre, 2 % Arbeitssuchende und 1 % Studenten

Bei einem Altersdurchschnitt von 46 Jahren und einer Alterspanne von 24 bis

72 Jahren.

Die Hoffnung ist, dass sich die LREM in den Parlamentswahlen mit ausreichend Mehrheit durchsetzt, um die Politik von Emmanuel Macron auch umsetzen zu können.

Für Europa und für uns bei Youropean ist auch wichtig, dass es Emmanuel Macrons Ziel ist, Frankreich wieder Selbstvertrauen zu vermitteln, die Franzosen wieder stolz auf ihr Land sein zu lassen. Er scheint auch hierbei auf bestem Weg.

Deutschland kann und muss Frankreich bei diesem Ruck in eine hoffnungsfrohe Zukunft für Frankreich und Europa unterstützend begleiten, denn nur so kann Europa wieder zu neuer Stärke finden. Macron hat die notwendige Reform Europas in das Zentrum seiner Politik gestellt, er hat eine Regierungsmannschaft bestellt, die sehr pro-europäisch und Europa-erfahren ist – und auch sehr germanophil, er möchte Europa ein starkes Frankreich präsentieren, das ein verlässlicher Partner für die Anpassungsprozesse innerhalb des europäischen Hauses und an der Europäischen Union und der Währungsunion sein kann. Er möchte auch Europa das in den letzten Jahren verloren gegangene Vertrauen zurückgeben. Hieran haben wir auch in Deutschland ein großes Interesse.

In unserem Youropean Salon am heutigen Mittwoch, den 7. Juni 2017, mit Vortrag von Philippe Maso y Guell Rivet, soll es darum gehen, was sich Emmanuel Macron von Europa verspricht, welche Erwartungen er an Europa und damit auch Deutschland stellt, was er realistischerweise wird umsetzen können – und wie wir uns dazu stellen wollen, welche Erwartungen wir unsererseits an ihn stellen.

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Daniela Weber-Rey für YOUROPEAN*****

Wie fühlt es sich an Europäer zu sein?

Am Sonntag stand unser Mitglied Stephan Rey in Frankfurt vor ca. 3500 Demonstranten von „Pulse of Europe“, die sich für ein gemeinsames Europa aussprechen. Die Bewegung von „Pulse of Europe“ gibt es inzwischen in mehreren Städten und findet jeden Sonntag statt.
Auch wir und unsere Mitglieder unterstützen diese tolle Initiative gern.

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„Danke, Herr Haus, für Ihre Einladung.

Ich möchte mich gern vorstellen: Mein Name ist Stephan Rey.

Mein Vater war Franzose, meine Mutter ist Holländerin, ich bin in Portugal aufgewachsen, meine Frau ist Frankfurterin. Wir beide sind auch seit 2 Jahren bei YOUROPEAN für Europa engagiert. Und ich bin seit 30 Jahren Wahlfrankfurter!

Vor circa 10 Jahren besuchte ich einen Workshop in Wien zum Thema „Fairness in der Gesellschaft“. Der Referent, Mitte 60, war Schwarzamerikaner; eine seiner Fragen war: „Wie fühlt es sich an, weiß zu sein?“  Das hat mich umgehauen. Ich, Mitte 40, hatte mir nie darüber Gedanken gemacht, ob meine Hautfarbe von Vor- oder Nachteil sei.

Dieser Mann hatte die Rassentrennung und Rassenunruhen erlebt – eigentlich überlebt.

Erst Dank dieser Frage wurde mir klar, wie privilegiert ich bin.

Ihnen möchte ich auch gern zwei Fragen stellen und bitten, auf Ihre Gedanken zu hören.

Wie fühlt es sich an, Europäer zu sein?

Wie fühlt es sich an, seit über 70 Jahren in Frieden zu leben?

Diese Fragen zu beantworten fällt schwer, so lange kein Verlust eintritt.

Wie fühlt es sich an, täglich die Nutzung der rechten und linken Hand zu haben? Fragen Sie diejenigen, die sich schon einmal die Hand oder den Arm gebrochen haben.

Als Europäer bin ich privilegiert, weil ich in dem weltweit größten Wirtschaftsraum arbeite und dessen Kulturvielfalt schätze.

Die Kehrseite ist, dass es mich immer wieder zum Außenseiter macht: Für manche ist es schon suspekt, wenn ich mich bei der Fußball-Europameisterschaft freue, wenn Frankreich punktet. Oder Deutschland. Oder Portugal. Oder Holland!

Privilegiert zu sein bringt meiner Meinung nach eine Verpflichtung und eine Verantwortung mit sich:

Die Verpflichtung, sich dieses Privilegs bewusst zu sein.

Die Verantwortung als Bürger und Familienmensch über den Sinn Europas heute und in der Zukunft gemeinsam nachzudenken, um Europa greifbarer zu machen.

Genau das hat Pulse of Europe bei mir bereits bewirkt: heute ist dies die 2. Demonstration in meinem Leben! Die 1. war ebenso mit Pulse of Europe. Auf dieser Bühne für Europa gemeinsam mit begeisterten Europäern und Frankfurtern zu sein, ist ein wichtiger Schritt für mich, weil wir dadurch zu der Sichtbarkeit und Sinnfindung Europas beitragen.

Würde der Frankfurter Dichter Friedrich Stoltze noch leben, dann würde er sicherlich sagen:

Es is kaa Ort uff der weite Welt,  der so merr wie mei Europa gefällt, un es will merr net in mein Kopp enei,  wie kann nor e Mensch net von Europa sei!

Danke, Pulse of Europe

Merci Francfort!“

Stephan Rey, Mitglied von YOUROPEAN

Frankfurt am Main, den 28.03.2017

Das Ende des Westens und die neue Rolle Europas in der Welt

Europa muss sich neu positionieren – Mit dem Fall der Sowjetunion war dem Westen der gemeinsame Feind abhanden gekommen, mit der Amtsübernahme Trumps und dem Erstarken des Nationalismus droht nun auch die westliche Wertegemeinschaft zu zerfallen.

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Es bleibt weiterhin unklar, wie die neue US-Regierung unter Präsident Trump zu den multilateralen und supranationalen Institutionen steht. In den ersten Wochen seiner Amtszeit erklärte Trump NATO und EU für obsolet. Dann, nachdem seine Minister die verunsicherten Europäer zu beruhigen versuchten, verkündete Trump das Gegenteil. Welchen genauen Kurs Trump einschlagen wird, bleibt abzuwarten. So oder so aber können wir davon ausgehen, dass  der Stellenwert bestehender internationaler Bündnisstrukturen für die USA abnehmen wird.  Dazu passt die Abschottung gegenüber Einwanderern ebenso wie der Protektionismus.

Der Westen als Bollwerk gegen den Kommunismus

Die multilateralen Institutionen, wie UN, Weltbank, IWF ebenso wie das westliche Bündnissystem der NATO waren nach dem 2. Weltkrieg maßgeblich von den USA ins Leben gerufen worden, um den Machtbereich der Sowjetunion und die Verbreitung des Kommunismus einzudämmen. Die Entstehung und Konsolidierung der Europäischen Union wurde von den USA beherzt unterstützt, stellte es doch den Gegenentwurf zum sowjetisch dominierten östlichen Wirtschaftsblock der COMECON dar. Der Westen berief sich in scharfer Abgrenzung zum Kommunismus auf Marktwirtschaft, Demokratie und Menschenrechte, auch wenn er an den Rändern der Welt genau diese Werte mit den Füßen trat.

Von der bipolaren zur unipolaren Weltordnung

Mit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems verlor der Westen seinen gemeinsamen Feind. Aus der bipolaren Weltordnung wurde eine unipolare. Die USA als verbleibende Supermacht war nicht mehr zwingend auf die Institutionen und Bündnissysteme des Kalten Kriegs angewiesen. Zunächst aber galt es das Machtvakuum, das die Sowjetunion hinterlassen hatte, zu füllen: die NATO und die EU expandierten nach Osteuropa. Für Europa bedeutete dies nach der Integration der südeuropäischen Länder in den 1980er Jahren, eine zweite Welle der Aufnahme von Mitgliedsländern, die wirtschaftlich und politisch-institutionell noch weit von den Standards Kerneuropas entfernt waren. Das Ergebnis war die Entstehung eines riesigen Binnenmarktes, des größten Wirtschaftsraums der Welt. Mit der neuen Größe der EU war fortan aber auch ihre Schwäche verbunden: die nur noch schwer zu steuernde Überspannung der Union.

Die EU – eine wirtschaftliche Weltmacht

Die heutige Welt ist trotz des Aufstiegs Chinas und dem Muskelzeigen Russlands nach wie vor politisch und militärisch unipolar mit den USA als alles überragende Macht. Wirtschaftlich haben sich indessen tripolare Strukturen herausgebildet. Die Weltwirtschaft wird von den USA, der EU und China dominiert. Es fragt sich allerdings: was bedeutet ökonomische Macht? Gewiss, wirtschaftliche Stärke ist die Grundlage für politische Macht, aber es nur eine notwendige und keine hinreichende Voraussetzung. Anders als China verfügt die EU  nicht über die erforderliche innere Kohärenz, um perspektivisch eine stärkere weltpolitische Rolle zu spielen. Ist die EU wirtschaftlich eine Weltmacht, so ist sie politisch nur eine Regionalmacht und bleibt militärisch weiterhin auf den Beistand der USA angewiesen.

Entfesselte Regionalmächte

Seit Beginn der 1990 er Jahre lassen sich mehrere Entwicklungen beobachten, die sich gegenseitig beeinflussen und zu einer neuen weltpolitischen Herausforderung verdichten: eine Reihe von Ländern haben eine nachholende wirtschaftliche Entwicklung vollzogen und sich zu Schwellenländern gemausert, wie u.a. Indien, Brasilien, Türkei und Iran. Sie verfügen nicht nur über eine diversifizierte Industrie, sondern inzwischen auch über beachtliche militärische Kapazitäten. Waren diese Länder im Kalten Krieg noch die Stellvertreter der jeweils Schutz gewährenden Supermacht, agieren sie nun als selbstbewusste Regionalmächte. Mit dem Ende der bipolaren Weltordnung müssen sie sich nicht mehr unter dem Schirm einer der beiden Supermächte retten. Zugleich halten sich die USA angesichts ihrer gescheiterten Interventionspolitik u.a. in Irak und Libyen etwas stärker zurück. Für die Regionalmächte, wie Türkei, Iran oder Saudi-Arabien eröffnen sich damit neue Handlungsspielräume, sie agieren zunehmend unabhängig von den USA. Für Europa sind sie beides: Herausforderung und mögliche Partner.

Konsequenzen für Europa

Europa ist auf die Erhaltung multilateraler Institutionen wie u.a. UN, WTO, Weltbank, IWF, G20 und G7 angewiesen, um globale Herausforderungen, wie Terrorismus, Klimawandel, Migration bewältigen zu können. Dazu müssen internationale Spielregeln gelten und weiterentwickelt werden. Eine Supermacht wie die USA mag denken, dass sie auf Regeln verzichten kann, Europa ist dazu definitiv nicht in der Lage. Die Schwellenländer sind potenzielle Bündnispartner Europas bei der Erhaltung des internationalen Regelwerks, aber auch bei der Verhandlung internationalen Konventionen, z.B. in der Klimapolitik.

Im Angesicht der Atommacht Russland im Osten des Kontinents bleibt Europa auf den militärischen Beistand der USA und der NATO-Strukturen angewiesen. Daran werden auch höhere Verteidigungsausgaben nichts ändern. Der Aufbau eigener gemeinsamer Verteidigungskapazitäten ist angesichts der aktuellen internen Krise der EU schwer vorstellbar und wäre allenfalls im Rahmen eines „Kerneuropa“ möglich.

Wirtschaftlich ist und bleibt die USA bis auf Weiteres der wichtigste Partner der EU. Gleichwohl verfügt die EU aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke im Außenhandel über den größten Spielraum, bestehende Partnerschaften in Asien, Lateinamerika und Afrika zu vertiefen und neue zu schaffen. Die Wirtschaftsmacht Europa hat ein vitales Interesse an der Erhaltung des Freihandels.

Vor allem aber, und dies ist die Voraussetzung für alles zuvor Gesagte, steht die EU vor der Herausforderung, ihre internen Strukturen zu konsolidieren und die Zersetzung der Union durch den um sich greifenden Nationalismus einzudämmen. Nur so kann sie die Handlungsfähigkeit erlangen, um sich in der neuen Weltordnung zu behaupten.

 

Frankfurt am Main, 22. Februar 2017

Nassir Djafari, Diplom-Volkswirt und Mitglied von YOUROPEAN

Der Inhalt des Beitrags liegt in der Verantwortung des Verfassers und gibt ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Einschätzungen von diesem wieder.

Zweiter YOUROPEAN Salon mit Nani Beccalli

Mit großer Freude haben wir am Donnerstag, den 16.02.2017, Nani Beccalli als Redner zu unserem zweiten YOUROPEAN Salon begrüßen dürfen.

Mit seiner jahrzehntelangen, beruflichen Erfahrung in einem internationalen Umfeld, ließ er uns in die europäische Welt der Wirtschaft einblicken und sprach zu dem Thema:

„THE FUTURE of EUROPE in a globalized, fast changing world”

60 Gäste aus den Bereichen Wirtschaft, Politik und Kultur nahmen auch dieses Mal teil und zeigten bei der anschließenden Diskussion nicht nur unterschiedliche Sichtweisen auf Europa, sondern waren sich über die Tatsache einig, dass Europa mehr braucht als schlaue Köpfe in der Wirtschaft. Es sei vielmehr ein Handeln der jungen Generation in der Politik notwendig, um Europa voran zu bringen.

Beccalli: Neben einer starken Wirtschaft brauche es auch ein pro-europäisches, politisches Engagement

Nani Beccalli war 40 Jahre bei General Electric tätig, u.a. als CEO Europe (einschließlich Russland), und arbeitete in Amerika, den Niederlanden, Japan, Belgien und Deutschland. Als Mitglied des Science and Technology Advisory Council gehörte er zum Beraterkreis von Kommissions-Präsident Barroso und diente als Counselor für eine Reihe europäischer Minister und Premierminister.

Mit „Europe is family“ brachte Nani Beccalli die Aussage auf den Punkt, hinter der auch YOUROPEAN steht. Obwohl Europa der größte Wirtschaftsraum der Welt sei und sich von der Krise 2008/2009 erholt habe, müsse man in Europa investieren und es stärken. Vor allem gegen wirtschaftlichen Druck aus Ländern wie den USA und China gilt es sich auch in Zukunft weiterhin zu behaupten. Der Brexit biete Europa daher auch Chancen. In der sich stets globalisierenden Welt fehle es derzeit derzeit an Motivation, Visionen und einer politischen Führung, die auch die prosperierende Wirtschaft nicht auffangen könne. Man dürfe in Brüssel daher nicht allein die nationalen Interessen vertreten, sondern müsse die hoffnungsvollsten, europäischen Köpfe entsenden, um Europa glaubhaft nach vorne zu bringen.

Der glühende Europäer Beccalli möchte daher gerade die junge Generation ermutigen, sich für Europa und die europäischen Werte einzusetzen. Ein kraftvolles Europa sei schließlich die Basis für unsere Zukunft. Dahinter stehen auch wir.

Der Film zum Salon folgt in Kürze.

 

Wir freuen uns bereits auf den nächsten Salon und sind auch dieses Mal gespannt auf die unterschiedlichen Anregungen unserer Gäste zum Thema „HESSEN als VORBILD für EUROPA?“

Die Rückkehr des Zöllners

Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/42/US_Navy_061209-N-8148A-067_A_customs_border_clearance_agent_assigned_to_Navy_Customs_Battalion_Romeo_keeps_record_of_each_inspection.jpg

 

Wir dachten, Schlagbäume, Zollschranken und Handelskriege gehörten allmählich der Vergangenheit an. Und nun das: die einstigen Vorkämpfer für den Freihandel, Großbritannien und die USA machen die Schotten dicht. Erst stimmte die Mehrheit der Briten für einen Austritt aus dem gemeinsamen europäischen Markt und dann wählten die US-Amerikaner einen Trump, der China mit Strafzöllen belegen will und Freihandelsabkommen ablehnt. Europa muss sich neu positionieren.

Trump und andere Populisten haben die Rückkehr zum Protektionismus nicht erfunden. Sie reiten lediglich auf einer Welle, die von weltwirtschaftlichen Veränderungen ausgelöst worden ist und in der Bevölkerung zu einer verbreiteten Skepsis gegenüber der Globalisierung geführt hat.

Der Welthandel verliert an Dynamik

Erlebte der Welthandel in den 1990er Jahren noch einen enormen Boom, so wächst der Austausch von Gütern und Dienstleistungen seit Beginn der 2000er Jahre langsamer. Seit der internationalen Finanzkrise von 2008 hat die Dynamik nochmals nachgelassen. Eine der wesentlichen Gründe liegt in der veränderten internationalen Arbeitsteilung, was wiederum hauptsächlich auf die nachholende Industrialisierung Chinas, aber auch anderer Schwellenländer zurückzuführen ist. Kauften bis vor einigen Jahren internationale Konzerne billige Vorprodukte aus Entwicklungs- und Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien ein und ließen sie in einer globalen Wertschöpfungskette verarbeiten, so geht China nun dazu über, die heimische Fertigung über ganze Produktionsketten hinweg auszubauen. Der Anteil der von China importierten Vorprodukte an den eigenen Exporten ist seit Mitte der 1990-er Jahre bis jetzt von 60 % auf 35 % gefallen. Zugleich stellt China seine Wirtschaft auf eine stärker an Dienstleistungen und am Binnenmarkt orientierte Struktur um, wiederum mit der Folge, dass China weniger importiert als noch vor einigen Jahren.

Die internationale Arbeitsteilung verändert sich

Mit dieser Entwicklung der Schwellenländer, vor allem Chinas, geht ein Strukturwandel in Nordamerika und Europa einher: Traditionelle Industrien geraten unter Druck der billigeren Konkurrenz aus den Schwellenländern, Arbeitsplätze gehen verloren. Zusammen mit der sich weiter öffnenden Schere in der Einkommens- und Vermögensverteilung führt dies zu einem wachenden Unbehagen in der Bevölkerung vor allem in den strukturschwachen Regionen. So kommt es, dass Trump in US-Bundesstaaten wie Ohio und Michigan, Zentren des einstigen Industriegürtels besonders viele Wähler für sich gewinnen konnte. Und nicht umsonst hat Wallonien, wo einst blühende Industriereviere nun vor dem Aus stehen, das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada zu blockieren versucht. Die Globalisierungsverlierer fühlen sich doppelt bedroht: zu einem durch das im Ausland billiger hergestellte Warenangebot und zum anderen durch die Einwanderer, die ebenfalls eine Ware billiger anbieten: ihre Arbeitskraft. Durch beides sehen sie ihren Besitzstand gefährdet, und beides wird miteinander vermengt und bekommt ein Gesicht – das Gesicht des Fremden.

Freihandel oder Protektionismus?

Nun ist der Freihandel kein Naturgesetz. Er ist auch nicht von vornherein gut oder schlecht, sondern es kommt auf die Interessen an. Der wirtschaftlich Stärkere mit der größeren Wettbewerbsfähigkeit hat selbstverständlich immer ein Interesse daran, seine Produkte barrierefrei zu exportieren. Da die Anderen ohnehin weniger wettbewerbsfähig sind, braucht er nichts zu fürchten. Nach dem 2. Weltkrieg traten die USA als Vorreiter des Freihandels auf, internationale Institutionen, wie die Welthandelsorganisation WTO bzw. dessen Vorgängerorganisationen wurden geschaffen, deren Ziel die Förderung eines möglichst freien internationalen Handels ist. Allerdings war es nicht immer so: in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen hatten die USA ebenso wie die Länder Europas hohe Zollschranken aufgebaut.

Unter Bedingungen des seit einigen Jahren langsamer wachsenden internationalen Handels bei zeitgleich nachlassender Produktivität der Weltwirtschaft wird der Wettbewerb um Märkte, Investitionsstandorte und Technologien schärfer. Die Länder greifen wieder zurück auf den Handwerkskasten des Protektionismus. Seit 2009 beobachtet die WTO weltweit einen signifikanten Anstieg protektionistischer Maßnahmen.

Wird nun Trump tatsächlich neue Zollmauern vor allem gegenüber China hochziehen? Heute, eine Woche nach den US-Präsidentschaftswahlen können wir nur Vermutungen anstellen. Sicherlich wird Trump seine Wahlkampf-Versprechen nicht zu 100 % umsetzen (das tut kein Politiker), aber selbst wenn er 30 % davon wahr macht, hat dies gravierende Folgen für die Weltwirtschaft.

Was bedeutet das Ganze nun für Europa?

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Welthandelsentwicklung, der Zunahme protektionistischer Maßnahmen und dem Politikwechsel der USA ist die Erhaltung des europäischen Binnenmarktes wichtiger denn je. Deshalb ist es ratsam, in den Austrittsverhandlungen zwischen der EU und Großbritannien eine möglichst enge wirtschaftliche Verflechtung mit der Insel zu erhalten.

Es hat keinen Sinn, sich mit Macht gegen den Strukturwandel zu stellen, und international nicht mehr wettbewerbsfähige Industrien durch Zollschranken und Subventionen künstlich am Leben zu erhalten. Natürlich muss der Strukturwandel sozial verträglich erfolgen. Für die Verlierer der Globalisierung müssen neue Perspektiven eröffnet, und da wo es nötig ist, sozialpolitische Netze aufgespannt werden. Durch die Förderung von Hochtechnologie und Innovationen kann Europa seine Wettbewerbsposition stärken. Dies setzt höhere Investitionen in Bildung, Forschung und Technologie voraus, wobei durch eine intensivere Kooperation zwischen den Mitgliedsländern Synergieeffekte gehoben werden können. Des Weiteren können durch den Ausbau des Dienstleistungssektors, vor allem auch im sozialen Bereich neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ganz gewiss wird TTIP das Transatlantische Freihandelsabkommen unter einem Präsidenten Trump nicht zustande kommen. Darüber wie sich in den nächsten 4 Jahren die Handelsbeziehungen zwischen EU und den USA entwickeln werden, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Sollte Trump aber tatsächlich China mit hohen Zöllen belegen, das Freihandelsabkommen NAFTA mit Mexiko und Kanada eindampfen oder das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP mit 12 Pazifik-Anrainerstaaten (u.a. Japan, Kanada, Australien, Mexiko, Peru, Chile) zurückweisen, würden sich für Europa neue Wettbewerbschancen in diesen Märkten ergeben, die es nutzen sollte.

Die Voraussetzung ist allerdings, dass in Europa nicht weitere kleine Trumps, wie Marine Le Pen oder Gerd Wilders an die Macht kommen und die EU lahmlegen.

 

Frankfurt am Main, 15. November 2016

Nassir Djafari, Diplom-Volkswirt und Mitglied von YOUROPEAN

Der Inhalt des Beitrags liegt in der Verantwortung des Verfassers und gibt ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Einschätzungen von diesem wieder./span>/span>span>

November 9, 2016

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The people of the United States have elected Mr. Trump as their new President which has to be accepted and respected.

But this election makes it brutally clear that the battle against the enemies of an open society, as described by the philosopher Karl Popper in the forties of the last century, has not been won, but has to be fought again and again. This is not only a US topic. It is a European topic on the Continent and in the U.K. and we are starting to realize that the battle against the enemies, naive or cynical, of the open society has to be fought with much more democratic fervor.

While studying law at Columbia University, I lived at International House New York in the mid-1980s. The Cold War was alive and well, as a student from West Germany, the idea of living among likeminded individuals who respected discourse over suspicion and avenues for harmony over building barriers and division, was exciting. I met, shared ideas and collaborated with people representing a broad range of ethnic, racial, political and socio-economic backgrounds and viewpoints. I am proud to have maintained strong friendships with many of these people, now scattered around the globe, through the years.

So when the results of the 2016 Presidential Election were finally confirmed, I, like many of my friends and colleagues, were confused, angered, and somewhat in disbelief. But we also share the same forward looking vision to channel our feelings toward change.

As friends of the open society, we urgently need to get out of our comfort zone. We need to speak up, rebuild our societies where we have failed to live up to our values and promises, and get involved in the democratic process at and between elections. This is also why we founded YOUROPEAN, a pro-European NGO, in December 2013 on Lampedusa in the Mediterranean.

We should also not be arrogant and should not accept the idea that open societies are reserved to „the West“ and not suitable, as some would like to tell us, to countries like Russia or the Ukraine, to name just two examples from Europe.

A good friend of mine and new board member of YOUROPEAN, Nassir Djafari, who fled from Iran to Germany in the fifties as a young boy together with his parents, pointed out to me this morning that the dividing line between friends and foes of open societies does not run between East and West, like the Iron Curtain during the Cold War, or between North and South. It runs right through the societies of more than hundred countries which were represented at International House New York through its resident community when I lived there in 1984/85. Today, this fine institution, founded in 1924 which for me represents America at its best, hosts and educates graduate students from 106 countries around the world including the United States.

In this overall context, I was so happy to have seen the outcome of a pre-election poll at International House, in which current residents embraced this philosophy. They expressed a desire to see more being done to preserve a future of a truly global society based in respect and equality where benefits could be gained by more, not just an elite few.

Now, more than ever, is not the time to sulk in retreat. Instead, I believe we need to re-think meaningful ways to express and implement solidarity not only within our own countries or regions. How can we effectively support friends of democracy and open society in Turkey, for example, which unfortunately has taken a course towards dictatorship, with legalistic methods so familiar to those of us who know about German history in the first half of the last century?

While I am not happy about Tuesday’s election result, my International House experience and the feed back we get at YOUROPEAN greatly strengthens my conviction that the battles for open societies can be won, and will be won more often than lost.

Frankfurt am Main, 11. November 2016

Dr. Klaus Mössle, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main und Mitbegründer von YOUROPEAN

Der Inhalt des Beitrags liegt in der Verantwortung des Verfassers und gibt ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Einschätzungen von diesem wieder.

Von den Belgiern, den Wallonen, den Flamen und dem Rest von Europa. Eine Liebeserklärung

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Mal wieder die Fritten. Typisch. Sagen die Froschfresser und die Käsköppe. Die Krauts halten sich vornehm zurück, weil der doofe Wirtschaftsminister den ganzen Mist in dieser Form aus purem Populismus so angerührt hat.

Der Streit ist das Salz in der europäischen Suppe.

Das ist Europa. Viel gescholten, häufig ein katastrophales Bild abgebend, immer uneins, immer im Streit und dadurch schwerfällig und für alle Dritten super kompliziert. Da dachten die armen Kanadier, nach sieben (!) lächerlichen Jahren der Verhandlung, sind sie durch. Nee. Pustekuchen, da sieht die Wallonie (Ein wirklich schöner Name!) ihre Chance im Scheinwerferlicht zu stehen und nutzt die auch noch frech!

In den 90er Jahren hieß die Wallonie Spanien oder Spanockelland. Die ließen sich europäisches Wohlverhalten, wie es die Krauts gerne definierten, in Autobahn-Kilometern bezahlen. Da gibt es heute die geilsten Autobahnen mit der allerbesten Struktur, selten bis nie befahren, kreuz und quer durchs ganze Land. Und Europa prosperierte. Genau wie jetzt. Das ewige Zetern, die endlosen Diskussionen sind ein Teil der Demokratie, sind ein Teil der jeweiligen nationalen äußerst vielfältigen Eigenheiten. Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut. Und die Diskussionen tun Europa und den Verträgen gut.

Denn sie werden immer wieder aus den 27 verschiedenen Sichten gesehen, gewägt, geprüft. Ergebnisse werden mit Klauen verteidigt und mit Macht gekippt. Alles ist in Bewegung.

Und Europa hat sich weiterentwickelt. Es geht voran. Auch im Brexit, von dem nun keiner mehr weiß, was daraus werden soll. Geht der seinen typisch europäischen Gang, sind die Tommys noch in 100 Jahren in der EU und fühlen sich so in ihrem Limbo sauwohl. „Die waren ja auch schon immer anders.“ Das weiß jeder.

Wir sind – und das hat Großbritannien sehr wohl jetzt erkannt – die größte Volkswirtschaft der Erde. Ja, mit viel Gezänk intern. Aber unter allen Strichen funktioniert doch wieder einmal alles.  

Europa halt.


Frankfurt am Main, 28. November 2016

Bodo Bimboese, Kommunikationsberater und Mitbegründer von YOUROPEAN

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